Reisebericht Patagonien (2)

Von Esquel bis zum Fitz Roy von Peter Jürgens

Sonntag, 13.1.
Heute mussten wir früh aufstehen, denn unsere Tagesetappe beträgt 500 km, meist über Schotterpisten durch die endlose Pampa. Gegen 7.15 Uhr brachen wir nach einem schnellen Frühstück auf, hinein in den beginnenden Tag. Das Wetter meinte es gut mit uns, heiter mit einigen Wolken. Der lange Tag sollte durch viele Fotostopps aufgelockert werden, denn eine Menge Tiere sollten wir zu sehen bekommen.
Es fing gleich mit einem Salzsee an, auf dem Flamingos kleine Salzwasseralgen mit ihren Schnäbeln herausfilterten. Als nächstes kreuzte ein Fuchs unseren Weg, ich habe ihn gerade noch mit dem Tele erwischt. Auf der weiteren Strecke warteten wir auf Nandus und Guanakos, die bald mal nah oder in der Ferne auftauchten, aber eine große Fluchtdistanz hatten. Sie waren in der Trockensteppe aber auch gut getarnt, denn braune, orangene, graue und grüne Vegetationsinseln erschwerten uns das schnelle Erkennen der Tiere. Wir bekamen sie dennoch nahe genug vor die Telelinse.

Die Landschaft, durch die wir fuhren, war von einer grandiosen Weite. Hügelige Ebenen durch Sonne und Schatten in ein vielfarbiges Muster geteilt, ließen die Weite gar nicht so endlos erscheinen. Ganz in der Ferne begleitete uns aber immer die Andenkette. Auf einem Salzsee schwammen auch Schwarzhalsschwäne, davon eine Familie fotogerecht in Ufernähe. Bei einem Stopp auf einer Anhöhe fand Nikki ein ausgebleichtes Pferdegerippe, teils noch mit Fell bedeckt. Es muß wohl verdurstet sein. Die letzten 100 km fuhr dann ich, weil Christian immer noch sehr erkältet war, und mir machte es Spaß, über die Piste zu brettern.

In Samiento, unserem Tagesziel, quartierten wir uns auf einem Bauernhof ein. Viele Tiere liefen dort frei herum: ein Kälbchen, Truthähne, Pferde, Schafe, Pfaue, Hunde und als Krönung ein kleines Guanako im Babyalter. Auf einer Wiese bauten wir unsere Zelte auf, und Christian bekam einen Raum zum Kochen zugewiesen, wo wir auch essen konnten. Alles in allem sehr komodich. Die Bauernfamilie ist auch sehr nett und hilfsbereit. Gleich gibt es Essen, und danach lassen wir den Tag bei Bier und Wein ausklingen.


Montag, 14.1.
Nach dem frühen Frühstück auf dem Familiencampingplatz fuhren wir bei fast bedecktem Himmel zum ersten Besichtigungspunkt dieses Tages, zum Park der versteinerten Wälder Jose Ormachea. Dieser liegt in einem ehemaligen Krater. Der Vulkanausbruch muß einen Wald verschüttet haben, und die Gesteinsmineralien in Verbindung mit Wasser haben die Zellkerne des Holzes zerstört und ersetzt. Durch Luftabschluß ist es in den Millionen von Jahren versteinert. Durch die Erosion werden die versteinerten Baumstämme wieder freigelegt zum Staunen der Besucher. Man könnte meinen, die Bäume seien gerade von einem Sturm entwurzelt und umgestürzt worden. Und dann die verschiedenen Farben der Vulkanasche. Schade, dass die Sonne hinter einer dünnen Wolkenschicht verborgen war, was hätte das Tal sonst geleuchtet.

Anschließend setzten wir unsere Tour fort und hielten am Straßenrand vor einem Schrein von El Gauchito, an dem die Einheimischen Opfergaben niederlegen. Der Legende nach soll der Gaucho den Sohn seines Henkers per Fernheilung von schwerer Krankheit geheilt haben, obwohl er vom Vater hingerichtet wurde. Dadurch hat er fast Heiligenstatus erreicht. Etwas weiter konnten wir uns nochmals an einem See an Flamingos anschleichen.

Nun sitzen wir seit einer Stunde in einer Schlange Autos in einem kleinen Nest mit Namen Rio Mayo, um zu tanken. Keiner bewegt sich, der Strom ist ausgefallen. Wir brauchen aber Diesel, weil wir nur noch für 100 km Diesel im Tank haben. Christian nimmt derweil ein Nickerchen. Und wir warten immer noch. Ich bin inzwischen vom Fotografieren zurückgekommen. Schöne Grafitis gab es zu besichtigen. Fast 3 Stunden haben wir gewartet, bis ein Aufschrei durch die Wartenden ging, der Strom war wieder da. Nur der Computer an der Kasse musste erst konfiguriert werden. So musste jede Zapfsäule einzeln abgerechnet werden. Langsam rückte die Warteschlange vor;

Um 15.30 Uhr konnten wir endlich unsere Fahrt fortsetzen. Unser Tagesziel war nun in weite Ferne gerückt. In Perito Moreno machten wir uns um 19.00 Uhr auf die Suche nach einem Campingplatz. Drei klapperten wir ab, aber nur einer war geöffnet. Nach dem Essen saßen wir bei einem guten Rotwein zusammen und erzählten Geschichten. In der Nacht fing es leicht an zu regnen, so dass wir unsere Zelte morgens naß einpacken mussten.


Dienstag, 15.1.
Gut gestärkt machten wir uns um 8.30 Uhr auf den Weg weiter in Richtung Süden. Stundenlang ging es durch die endlose Pampa, mal topfeben, mal hügelig. Gegen 11.00 Uhr tauchten die schneebedeckten Eisriesen der Anden am Horizont auf, von der Sonne beschienen, die nun schon seit 2 Stunden vom blauen Himmel lachte. Im Laufe des Tages bekamen wir auch endlich Guanacos, Nandus und zwei Gürteltiere nahe vor unsere Linsen. Die Gürteltiere laufen, wenn sie bedrängt werden, zum nächsten Stachelbusch, verkriechen sich darin und als letzten Ausweg graben sie sich ein. Zuguterletzt meldete sich Tom von hinten und meinte, der rechte Hinterreifen mache so ein seltsames Geräusch. Als Christian anhielt und wir nachsahen, war der Reifen platt. Nun hieß es hinten alles ausladen, Ersatzreifen raus, .... Nach fast einer Stunde hatten wir es geschafft und konnten unsere Fahrt fortsetzen.

Ein Stück weiter stand eine junge Frau am Straßenrand mitten in der Wildnis. Wir hielten an und sie erzählte uns, dass der Bus, den sie und ihr Freund benutzen wollten, morgens einfach durchgefahren sei. Nun hatten sie fast kein Wasser mehr. Mitnehmen konnten wir sie nicht aus Platzmangel, aber einen 4 Liter-Wasserkanister nahm sie freudig an.

Gegen 18.30 Uhr erreichten wir eine Hacienda, wo wir uns die Erlaubnis zum Zelten einholten. Etwa einen Kilometer von einem türkisfarbenen See haben wir unsere Zelte aufgeschlagen. Gleich gibt es Essen, es ist 20.30 Uhr, die Sonne scheint immer noch, und der Wind weht stetig von Westen feinen Sand in unsere Zelte, wenn wir sie nicht verschlossen halten. Eben kommt Tom mit einem Tablett Honigmelonen vorbei, denn ich sitze vor meinem Zelt und schreibe mein Tagebuch. Schmeckt lecker!

Nach dem Abendessen gingen Steffi, Wolfgang und ich noch zu einem Spaziergang in Richtung See, um den Sonnenuntergang zu genießen. Wir dachten, einen Kilometer, dann wären wir da. Pustekuchen, die Luft ist hier so klar, dass wir nach einer halben Stunde immer noch nicht am See waren. Ich setzte mich auf einen Hügel, um die untergehende Sonne zu genießen. Die anderen beiden wollten unbedingt noch das Wasser erreichen. Um 22.30 Uhr ging die Sonne unter, tauchte den Zeltplatz vorher in goldenes Licht. Wunderschön die Kontraste von Licht und Schatten. Nachdem die Sonne verschwunden war, gab es noch ein extra Schauspiel. Die Wolken färbten sich orange und blutrot.
Nach der Rückkehr trank ich noch einen Becher Rotwein, und müde, wie wir alle waren, ging es in die Zelte. Als ich in der Nacht mal ’raus musste, konnte ich das intensive Leuchten der Sterne genießen. Ich war hingerissen von diesem Strahlen am Firmament.


Mittwoch,16.1.
Morgens bauten wir unsere Zelte bei Sturm ab, aber der Himmel war klar, es schien ein sonniger Tag zu werden. Unser Ziel für heute war der Ort El Chalten, ein Dorf am Fuße des Fitz Roy und Cerro Torre, der berühmtesten Berge Argentiniens. Dieser Ort wurde 1985 gegründet, um den Besitzanspruch Argentiniens für diese Gegend gegenüber Chile zu untermauern. Nachdem wir viele Gauchoherden, einige Nandus sowie ein Gürteltier abgelichtet hatten, trat der Fitz Roy klar und ohne Wolken gegen den blauen Himmel hervor, obwohl wir noch 50 km entfernt waren. Der Anblick ein Traum!

Wie viele sind hier gewesen und haben nur Regen, Sturm und Schnee erlebt. Alle 10 Kilometer wurde nun ein Fotostopp eingelegt, weil wir unser Glück nicht fassen konnten. Nur über den Cerro Torre hing noch eine Wolke, die von Chile herüber driftete. Unser Zeltplatz ist am Rande des Ortes gelegen, und unsere Zelte stehen oberhalb eines Flusses mit Blick auf schneebedeckte Berge. Hier sitze ich auch und schreibe mein Tagebuch immer wieder aufschauend und den fantastischen Blick genießend. Wir kommen gerade aus dem Ort zurück, wo wir unsere Vorräte aufgefrischt haben und wichtig: Ansichtskarten für daheim. Morgen und übermorgen wollen wir unsere Wanderungen zu den Basecamps des Fitz Roy und Cerro Torre unternehmen. Wenn das Wetter so bleibt, wäre es grandios. Aber es blieb nicht so.